1.Division                                                                                                                     Div.St. Qu.,den 19.7.40.
Ia Nr. 243/40 geh.

Erfahrungsbericht aus dem Westfeldzug.(in Anlehnung an den Fragebogen)

I.Taktik:

1.) Die Division hat Erfahrungen
    a) in Marsch als Reservewaffe der höheren Führung,
    b) im Begegnungsgefecht,beginnend in der Abenddämmerung, endend an kommenden Mittag,
    c) in einen Angriff gegen eine Feldbefestigung eines starken Feindes am Kanal südw. Valenciennes beiderseits Trith mit Kampfauftrag „Überschreitet im überraschenden
       Angriff den Kanal usw. Bei stärkerem Widerstand ist der Angriff einzustellen.”

    d) in mehrtägigem Angriff in schmalen Streifen durch eine Feldbefestigung eines zähen und starken Feindes am Kanal bei und westl. Bouchain südw. Valenciennes mit
       Kampfaufträgen „ Durchbruch ” und - später - " Verfolgung ”,

    e) mit mot.Vorausabteilungen in Verfolgungskämpfen gegen schwachen,aber zähen Feind an der Loire.

Auswertung der besonderen Erfahrungen:

2.) Die Grundsätze unserer Taktik haben sich bewährt. Teilweise haben erst die Erfahrungen des Kampfes der Truppe das volle Verständnis für die Anwendung dieser Grundsätze
    gelehrt. Unsere Friedensausbildung muss noch kriegswirklicher werden.

3.) Kampfaufträge nach 1 c) sind zwecklos, wenn die Truppe, wie geschehen, erst im Nachtmarsch herangeführt wird und der Gegner noch vorgeschobene Kräfte und Gefechtsvorposten
    vor seiner HKL hat.

4.) Artillerie: Das Zusammenfassen starker Artillerie (10 Abteilungen) unter Leitung eines Artilleriekommandeurs hat nicht die erhoffte Wirkung gebracht (Bouchain, 1 d).
    Die Leitung des Artilleriefeuers "in einer Hand" wurde zu starr. Sie konnte so nicht genügend dem von Feinde aufgezwungenen Einzelverlauf des Angriffs der Infanterie
    Rechnung tragen. Das Art. Feuer vor dem Beginn des Inf.Angriffs hat nur vereinzelte „unvorsichtige” Ziele niederzukämpfen vermocht,

    dafür aber alle Schweigewaffen des Feindes zu vermehrter Aufmerksamkeit veranlaßt. Mit und nach Beginn des Angriffs der Infanterie blieb das Art. Feuer zu stur nach dem    
    "Feuerplan" auf vermuteten, aber praktisch nicht vorhandenen bezw. bedeutsamen Zielen.

    Bei dem französischen Abwehrgrundsatz „ich schweige und zeige mich erst bei lohnenden Zielen und auf wirksamstem Entfernungen” ist ein „Vorbereitungsfeuer” vor Beginn des
    Inf.Angriffs zwecklos. Die Artillerie muß „auf der Lauer liegen”, um mit Beginn des Vorgehens der Infanterie

      a) diese gegen Flankenwirkung abzuschirmen,
      b) zusammen mit dem schw.Waffen der Infanterie im beobachteten Schuß frontale Ziele niederzukämpfen
      c) die fdl.,auf die eigene Infanterie wirkende Artillerie niederzukämpfen.
    Dazu ist notwendig
      a) starke Artillerie zur Zusammenarbeit mit der Infanterie anweisen nach dem Grundsatz "die Anforderungen der Infanterie stehen den Anforderungen des Art.Kdrs voran”
      b) die übrig bleibende Artillerie in der Hand des Art.Kdrs zur Bekämpfung von Flankenwirkung und fdl. Artillerie zu gewinnen. Mit dieser Artillerie muß der Art.Kdr.
         auskommen, die „zur Zusammenarbeit angewiesene Artl." darf er nur überlagernd für seine Bekämpfung von Flankenwirkung und fdl. Artillerie einsetzen „falls sie frei
         ist von der Aufgabe der Zusammenarbeit. ”

3.) Das Pi.Batl. hat alle Aufgaben, insbesondere die beim Angriff über Flüsse voll gelöst. Es ist nach Gliederung, Ausstattung u. Ausbildung auf alle an es im Westkrieg
    herangetretenen Aufgaben bestens vorbereitet gewesen, sodaß selbst der Ausfall der Br.Kol. (durch Abgabe) keine fühlbar nachteiligen Folgen hatte.

    Die Inf.Pi.Züge sind zum taktisch unentbehrlichen Teil der Inf.Rgter geworden.
6.) Über das Zusammenwirken aller Waffen liegen außer über die Artl.besonders auszuwertende Erfahrungen nicht vor.
7.) Erfahrungen im Kampf gegen Franzosen:
    Vorzüglicher,gedeckter Einbau schwerer und leichter Waffen, sodass die Erkundungen vor und während der Bereitstellung zum Angriff nur ganz geringe Ergebnisse über die
    Stärke und Art der Besetzung erbrachten.Die Masse der fdl.schw. und leichten Inf. Waffen und insbesondere sämtlicher Gewehrschützen waren in derart straffer Feuerzucht,
    dass sie unsere Erkunder meist ungestört liessen oder nur bei 100% Treffwahrscheinlichkeit auf nächste Entfernungen abschossen. Sie ließen auch beim Angriff über das
    Wasser die erste,sohwache Floßsackwelle fast unbeschossen und eröffneten erst auf die zweite und folgenden Floßsackwellen,wenn diese Strommitte erreicht hatten, ihr
    plötzliches Vernichtungsfeuer auf nächste Entfernungen. Bei Trith verfuhr in gleicher Form eine vor Angriffsbeginn völlig unerkannt gebliebene Feindbatterie flankierend mit 
    grosser Wirkung. Diese vorzügliche Feuerzucht der fdl.Schweigewaffen hat die Truppe in gewisser Weise überrascht.

    Dieses Kampfverfahren lohnt, in unseren Vorschriften stärker betont zu werden, zumal es nicht nur für das Hauptkampffeld,sondern auch für die Gef.Vorposten, insbesondere im
    Verhalten gegen fdl. Spähtrupps jeder Art von hohem Wert ist.

    Ebenso war unerwartet, wie unbedenklich der Franzose in seinem Bestreben nach Panzersicherheit sich mit Widerstandsnestern- u.Gruppen an auffallende Geländepunkte
    (Ortschaften,Gehöfte,Waldstücke) klammerte. Hier hielt und kämpfte er dann allerdings bis zum Äussersten.

    Die Wendigkeit der franz. Artl.mag in Bezug auf die Schnelligkeit im Wechsel der Feuerstellungen ebenso anerkannt bleiben, wie in den rasch wechselnden Feuerüberfällen auf
    die verschiedensten Geländepunkte (Planschiessen und Schiessen nach Zielpunkten). Dies überraschte nicht, dagegen die offensichtliche Schwerfälligkeit der franz.Artl.im
    Bekämpfen erkannter Ziele, die von den B-Stellen u. Gef. Ständen der Div.schnell vorteilhaft ausgenutzt wurde.

8.) Kampf gegen fdl.Panzer:
    2 fdl.Pz.Gegenangriffe (je 7 - 12 Pz.) wurden abgewiesen, obgleich die Durchschlagskraft der eigenen Pz.Abwehrwaffen nicht ausreichend war.
    Diese Erfahrung aus den ersten Gefechten führte zu der Massnahme,dass jedem Inf.Batl. grundsätzlich 1 l.Feldhaubitze mit Pz.-Kpf. Granaten unterstellt werden musste
    zum wirksamen Bekämpfen schw.fdl.Kampfwagen.

9.) Feindflieger:
    Luftangriffe erfolgten nur nachts und hatten nur geringe Wirkung.
    Vereinselt wirkten fdl.Leuchtschirmabwürfe auf den Märschen verzögernd. Erstarren jeder Bewegung bei Hineingeraten in den Lichtkegel ist dann erforderlich.
    Ein sehr tief fliegendes fdl.Flugzeug wurde mit dem M.G.34 einer Battr. abgeschossen.
    Fliegerwarndienst auf dem Marsch und im Gefecht erübrigt sich, da auch die Luftspäher die Nationalität der Flugzeuge nicht früher erkennen als die Truppe selbst.
10.)Die Gefechtsfahrzeuge wurden durch Organe der Führerreserve nachgeführt und auf dem Gefechtsfeld verteilt aufgestellt. Das hat sich führungsmässig bewährt.
    Infolge Fehlens fdl. Luftangriffe können taktische Erfahrungen hierüber nicht gemeldet werden.

11.)Flakschutz:
    Er war nur bei Zuteilung einer 2 cm Fla-M.G.Kp., die leider nur kurzfristig war, ausreichend gewährleistet. Flak-Artl. war niemals unterstellt.
12.)Verkehrsregelung:
    a) Verstärkung der Verkehrsregelungsabteilungen ist notwendig.
    b) Es darf nicht verkannt werden, daß sich in Jede Marschbewegung -sei es überholend, aus Seitenstraßen oder entgegenkommend - unvorhergesehene Marschgruppen -
       oder Kolonnen der Luftwaffe (einschl. Flak), Heerestruppen (einschl. Prop.Kp´n), höhere Stäbe, rückw.Dienste, Nachzügler vorn eingesetzter Teile usw. einzwängen
       wollen und müssen. Deren Länge beträgt meist das 3 — 10 fache der Angabe ihres Führers.

    c) Die Marschbewegung - besonders bei Engen und Brücken -kann somit nur durch örtliche, verständnisvolle Verkehrsregler im Fluß gehalten werden, die im Bilde der
       Gesamtbewegung sind. Diese aber dürfen dann von keiner anderen Stelle Befehle erhalten, als von der die betr. Marschbewegung verantwortlich leitenden Zentralstelle.

       Es scheint nach den vorliegenden Erfahrungen daher zweckmäßig, daß die vorn marschierenden Div´n selbst ihren Marschregeln für alle folgenden Teile die Armee die
       Verkehrsregelung einschl. der Ablaufposten, Brückenkommandanten und Fernsprechleitungen übernimmt, wobei Kommandierungen aus der der Truppe notwendig werden können,
    d) Eine Vorschrift, als Ausbildungsgrundlage in Frieden und als Nachschlagebuch im Kriege, erscheint unerläßlich.

13.)Die Erfahrungen in Kampf über Flußübergänge decken sich mit den unter 5.) gemeldeten.

II.Organisation:


1.)Div.A.A.

   Ihre Gliederung zu 1 Reit.Schw.,1 Radf.Schw. und einer schw.Schw. hat sich, wie zu erwarten stand und auch von der Kavallerie immer betont wurde, nicht bewährt.
   Die Inf. Reiterzüge genügen für die Nah-und Gefechtsaufklärung der Inf.Div. nicht.

   Lösungsvorschlag:
   a) eine Div.A.A. zu 2 Reiterschwadronen (dazu einige Radmelder), die weder den Truppenführer noch den der Div.A.A. dazu verfuhren kann, von ihr etwas Anderes zu
      fordern als nur Aufklärung.

   b) ein durch schw.Waffen zu verstärkendes Radf.Batl., das als kampfkräftiger Sicherungsverband (notfalls durch Zuteilungen verstärkt) sowohl frontal als Vorausabteilung,
      wie zu abgesetzten Flankenschutzaufgaben befähigt ist.

2.) Die derzeitige Gliederung der Inf. hat sich von der Gruppe bis zum Regt. bewährt,auch besonders die Inf.Pi.Züge, die im Interesse der Ausbildung der Inf. im
    Feldpionierdienst bei den Inf. Regtern verbleiben müssen. Beförderung der Mannschaften der Inf.Pi.Züge auf Rädern (Gerät im Kraftzug) ist dringend erwünscht.

3.) Sollte (das Bedürfnis liegt nach hiesigen Erfahrungen nicht vor) eine B-Abtlg.und ein Artl.Kdr. zu jeder Inf.Div.können, so erscheint eine besondere Nachr. Einheit für
    den Artl.Kdr.notwendig. Sie kann aus der Div.Nachr.Abtlg.entnomnen werden, muss organisch aber auch in Frieden zum Artl.Kdr. treten.

4.) Die Pz.Jäg.Abt.braucht Aufklärungsfahrzeuge,da sie häufig voraus oder in offener Flanke eingesetzt werden musste.
5.) Vollmotorisierung des Pi.Batls. ist notwendig. Sonstige Gliederung (auch zu 3 Kp´n) hat sich bewährt.

III.Bewaffnung und Ausrüstung:

1.) Nach Aussagen Gefangener, die jeweils noch am stärksten unter den letzten Gefechtseindruck standen, ist die Splitterwirkung unserer Artl. (besonders wohl der Abpraller)
    am gefürchtesten und wirksamsten enpfunden worden.

2.) Panzerbrechende Waffen gegen mittlere und schwere Kampfwagen haben gefehlt, wurden vermisst und erscheinen notwendig.
3.) Der neue Gefechtswagen der Inf. ist in seiner derzeitigen Art unbrauchbar. Er war selbst auf den im Westen vorzüglichen Strassen nur 4-spännig zu fahren (Widersprach zur
    K.St.N.!) und auch dann, besonders bei Engen usw.viel zu schwerfällig. Ein "Gefechts"-fahrzeug ist er nicht.

4.) Eine zusätzliche Bewaffnung der Pi.Batle ist allein mit Masch.Pist.für die Stosstrupps erforderlich, alles Weitere ist unerwünscht.
    Für die Inf.Pi.Züge ist Einführen eines leichteren Minensuchgeräts erwünscht.
5.) Einführen der Panzer-Büchse ist wie beabsichtigt erwünscht.
6.) Leucht-u.Signalpatronen sind trotz ihrer kurzen Brenndauer gut erkennbar. Ihre Farbendeutung ist bei den häufigen Wechsel (z.B. auch der Flieger-Erkennungssignale) aber
    derart verwirrend, dass der Mann das jeweils gültige Zeichen nicht behalten kann.

    Leuchtzeichen dürfen daher nicht so häufig wechseln u. nicht annähernd so vielsprachige Bedeutung haben. Mehr als 3 Farben behält der Mann nicht im Kopf und auch nicht
    der Adjutant, dessen Kopf im Gefecht mit noch anderen Sachen beschwert ist.

    Die Flaggen zur Bezeichnung der vorderen Linie sind brauchbar; Hakenkreuzflaggen zur Vermeidung von Stuka-Angriffen auf die eigene Truppe dürfen von der vordersten Linie nach
    rückwärts höchstens nur bis zur Linie der Jnf.Rgts. Gef.Stände gezeigt werden. Hakenkreuzfahnen und gelbe Tücher auf Fahrzeugen usw. weiter rückwärts waren nicht nur
    wirkungslos, sondern gefährdeten die Tarndisziplin.

7.) Die Inf.Div. braucht als Truppenluftschutz 2 Fla-M.G.Kp’n. Diese genügen zusätzlich zu den anderen Flugabwehrwaffen.

IV. Heeresversorgung.

1.) Die "Richtlinien " vom 23.1.40 haben sich im Grundsatz als zutreffend erwiesen.
2.) Für die Ausstattung der Nachschubdienste der Inf.Div. werden neben den 3 Fahrkolonnen 4 (statt 3) kl.Kw.Kol. für erforderlich gehalten.
3.) Die Fahrkol. sind mehrmals als Gefechtsstaffel des Artl.Kdrs. eingesetzt worden; dies hat sich bewährt. Das Fehlen der l.Artl.Kolonnen machte sich dadurch nicht
    schwerwiegend bemerkbar. In allen Fällen reichte die Leistungsfähigkeit der Bäck-Kp. u.des Sohlächt.Zuges aus.

5.) Es erscheint erforderlich, das Verpflegungsamt um einen Nachschub-Zug zu verstärken, der dann als Bestandteil des Verpfl.Amtes zu gelten hat.
    Die Nachsch.Kp. könnte in diesem Falle um einen Zug schwächer gehalten werden.
    Die Gliederung der Veterinärdienste entsprach den Bedürfnissen.
    Für die Div.San.Dienste wird Vollmotorisierung gefordert und ein Zusammenfassen dieser Einheiten (zwei San.Kp’n, zwei Kr.Kw.Züge,Feldlazarett u. Personal u.Gerät des Div.
    Arztes) zu einer San.Abtlg., deren Kdr. zugleich Div. Arzt ist. Der Feldgendarmerietrupp muss stärker gehalten werden. Dringend erforderlich erscheint, dass er im Frieden
    wesentlich besser auf seine Aufgaben vorbereitet wird als bisher. Seine Beweglichmachung in kleinen Pkw. hat sich nicht bewährt; Kräder mit Beiwagen erscheinen besser.

    Sonstige Erfahrungen:
    a) Die Kartenausstattung ist zu gering gewesen.
    b) Der V I.-Tross ist bei der Dlv. fast gar nicht zum Einsatz gekommen, da stets der V II.-Tross herangezogen werden konnte. Prüfung dieser Frage scheint notwendig,
       ebenso die Frage der Handwerker und des Gepäcktrosses.

       Es ist dringend erforderlich, eine Möglichkeit zu finden, dass auch bei längeren Marschperioden die Handwerker zu produktiver Arbeit kommen (fahrbare Werkstatt),
    c) 5% Bekleidungsreserve hat sich als nicht ausreichend erwiesen. 10% erscheinen erforderlich. Der Faßraum hierfür muss in der sowieso neu festzusetzenden
       Fahrzeugausstattung, die sich allgemein als zu gering erwiesen hat, berücksichtigt werden.

   d.) Die Ostpr.-Gliederung der Div. hat sich, wie auch schon in Polen, nicht bewährt.